Vom 11. Mai bis zum 14. September 2025 zeigt die Galerie Stadt Sindelfingen mit „unforeseen“ eine Ausstellung, die bewusst keine einfachen Antworten gibt. Stattdessen laden die Werke der beiden Bildhauer Gianni Caravaggio und Johannes Wald zur Kontemplation ein – über Kunst, Zeit, Erinnerung und die unsichtbaren Linien, die zwischen Idee und Objekt verlaufen. Zwei Künstler, zwei Ansätze – und doch begegnen sich ihre Gedanken immer wieder auf halber Strecke.
Gedanken werden Dinge, oder: Wenn das Atelier zur Bühne wird
Johannes Wald lässt das Unbewusste sprechen. Seine Gipsplatte mit Handabdrücken, zwischen Stahlböcken platziert, wirkt wie ein eingefrorener Geistesblitz. Dahinter steht eine tiefere Frage: Wann beginnt ein Gedanke, zur Skulptur zu werden? In seiner Serie „drawings, words and errant thoughts“ konserviert Wald Notizen, indem er sie zerstört – geschreddert, neu gegossen, mit Kupfer überzogen. Sie verlieren ihre Lesbarkeit, gewinnen aber eine neue, physische Bedeutung.

Auch das eigene Atelier wird zum Gegenstand seiner Kunst. Drei Videos zeigen den Künstler bei der Arbeit, oder besser: im Zustand des Nachdenkens über das Arbeiten. Besonders eindrucksvoll: ein Spiegel, gefertigt aus altem Atelierglas und dem Silber einer römischen Münze mit dem Antlitz Vespasians – eine Brücke zwischen Jetzt und Damals.
Schönheit, verformt und verworfen
Antike Ideale, einst Maßstab für Perfektion, erscheinen bei Wald brüchig. Ein beweglicher Bronze-Arm, ein Behälter voller missglückter Körperabgüsse – all das erinnert daran, dass künstlerischer Ausdruck auch scheitern darf. Und dass Schönheit nicht immer glatt ist, sondern manchmal in Fragmenten leuchtet.
Kosmisches Denken mit irdischen Mitteln
Gianni Caravaggio denkt groß – bis zur Singularität. Seine Installation „Young Universe“ übersetzt den Urknall in Glaskugeln und Draht, die die Hand des Künstlers nachzeichnen. Eine poetische Visualisierung des Augenblicks, bevor Zeit und Raum begannen. Im Obergeschoss des Oktogons setzt sich die kosmische Reise fort – die Kugeln nun am Boden verteilt, Materie im Fluss.

Mit feinem Gespür für Zeitlichkeit formt Caravaggio Steine und Naturmaterialien zu Skulpturen, die vom Vergehen und Verweilen erzählen. Ein Palmenblatt aus Bronze, das neben seinem echten Zwilling langsam altert. Ein Onyx, durchzogen von einer Azukibohne, die wie ein Samen durch Millionen Jahre reist. Kunst wird hier zum Gedächtnis der Erde.
Natur als Denkraum
Auch sprachlich bleibt Caravaggio offen. Seine Werke wie „In Nebel trennt die Sonne vom Horizont“ geben nur Impulse. Farben, Formen, Materialien – alles lädt zum Weiterdenken ein. Es geht nicht darum, ein Bild zu zeigen, sondern eine Vorstellung zu evozieren, die sich beim Betrachten erst bildet.