Wenn sich Venedig in ein Experimentierfeld für neue Ideen verwandelt, dann darf eines nicht fehlen: eine Installation, die den Puls der Zeit aufnimmt, ohne laut zu sein. Matteo Thun & Partners zeigen mit Fratelli Tutti auf der 19. Architekturbiennale in Venedig genau das – ein Projekt, das mehr nachklingt als auftrumpft.

Die Installation basiert auf der gleichnamigen Enzyklika von Jorge Bergoglio und versteht sich als Sinnbild für universelle Werte wie Frieden, Menschlichkeit und Brüderlichkeit. Und während große Worte heute leicht gesagt sind, geht dieses Werk den umgekehrten Weg: Es nutzt das Holz einer verlassenen Berghütte in den italienischen Alpen und verwandelt es in einen Ort der Reflexion. Ein stiller Raum, der das Miteinander in den Mittelpunkt stellt und zeigt, dass aus Vergangenem etwas Bleibendes entstehen kann.

Kuratiert von Carlo Ratti und Teil der Biennale-Kategorie „Special Projects“, greift Fratelli Tutti ein Grundthema auf, das aktueller nicht sein könnte: die Suche nach Verbindung in einer zunehmend fragmentierten Welt. Der Raum lädt dazu ein, anzuhalten, zu lauschen und vielleicht sogar sich selbst ein Stück weit wiederzufinden.
Nach seinem Auftritt in Venedig führt der Weg der Installation zurück in die Berge – auf 2.000 Meter Höhe. Dort wird sie zum dauerhaften Rückzugsort und lebendigen Denkmal für Nachhaltigkeit.

Doch das ist nur der Auftakt: Als Teil einer Trilogie folgt ihr eine steinerne Schwester in den toskanischen Apenninen sowie ein aus Lehm gefertigter Abschluss in Deutschland. Drei Standorte, drei Materialien, eine Botschaft – verwurzelt in lokalen Ressourcen, getragen von einem universellen Geist.

Matteo Thun selbst bringt es auf den Punkt: Fratelli Tutti sei eine Verneigung vor den Ideen Bergoglios, eine Einladung zur Rückbesinnung auf das, was wirklich trägt. Gerade angesichts seines kürzlichen Todes erhält das Projekt eine neue, tiefere Dimension. Es erinnert daran, dass Architektur weit mehr sein kann als Baukunst – nämlich ein Mittel zur Verständigung.
