Der Hungry Eyes Store an der Ecke Rosenbergstraße/Senefelderstraße in Stuttgart West ist alles andere als ein gewöhnlicher Brillenladen. Keine zugestellten Schaufenster, keine überfüllten Warenträger. Stattdessen fällt der Blick ungehindert in den puristischen Innenraum, wo Inhaber Thomas Hommerberg seiner täglichen Arbeit als Optiker nachgeht. Schnell wird klar: Hier geht es um mehr als den Verkauf von Brillen.
Bittet man Innenarchitekt Florian Siegel und Architekt Severin Küppers, ihren Auftraggeber zu beschreiben, ist es aus ihrer Sicht vor allem die offene und herzliche Art, die ihn ausmacht. „Man fühlt sich ab dem ersten Moment gut aufgehoben und weiß, woran man bei ihm ist“, berichtet Florian Siegel, der bereits seit einiger Zeit eine gute Freundschaft zu Thomas Hommerberg pflegt. Im Mai 2020 kam dieser mit seinen Plänen für ein eigenes Optikfachgeschäft auf ihn zu. Siegel und Küppers, die nach ihrer gemeinsamen Zeit in einem bekannten und renommierten Architekturbüro zunächst getrennte Wege gingen, nahmen dies zum Anlass, um ihre Zusammenarbeit fortzusetzen.
Analog statt digital
Konkrete Gestaltungswünsche gab es von Seiten des Bauherrn nicht. Viel wichtiger war es ihm, seine Identität und Werte über die Räumlichkeiten widerzuspiegeln. „Der Kundenkontakt war für ihn das Wichtigste am ganzen Konzept“, erinnert sich Severin Küppers. Denn die voranschreitende Digitalisierung macht auch vor dem Optikergeschäft nicht Halt. Sich eine Auswahl an Brillengestellen nach Hause liefern zu lassen erscheine bequem, habe für Hommerberg jedoch nur wenig mit einer echten Dienstleistung zu tun. Viel wichtiger sei es für ihn, mit der Kundschaft ins Gespräch zu kommen, sein Gegenüber einzuschätzen und auf dieser Basis ein passendes Modell auszuwählen. Eben diese Interaktion sollte bereits von außen wahrnehmbar sein.
Eine urbane Bühne schaffen
Bei ihrem Entwurf legten die beiden Planer daher großen Wert darauf, die Barriere zwischen Außen- und Innenraum sowohl visuell als auch räumlich möglichst gering zu halten. „Wir haben das Konzept als ‚urbane Bühne‘ gedacht, auf der unser Bauherr als Protagonist zu sehen ist“, erklärt Severin Küpers.
„Das schaffen wir, indem wir bestimmende Gestaltungselemente der Umgebung im Inneren fortsetzen.“ So wurde der Sandstein im Bereich des Fassadensockels mit dem Bodenbelag im Verkaufsbereich weitergeführt. Die helle Verklinkerung der restlichen Fassade übersetzten sie in Form eines Kalksandstein-Sichtmauerwerks, das mit seiner auffälligen Lochung nicht nur den gewünschten Außenraumcharakter erzeugt, sondern inzwischen das Erkennungsmerkmal des Stores ist.
„Einfachheit ist für uns Ehrlichkeit“
Bis die Wahl auf den Kalksandstein von KS-Original fiel, der mit seiner konischen Lochung eher in schallabsorbierender Funktion Verwendung findet, dauerte es jedoch einige Zeit. Auf der Suche nach einem Material, das einen urbanen Charakter hat und sich gleichzeitig für die Anbringung von Warenträgern eignet, hatten Siegel und Küppers zunächst einen Ziegel im Blick.
„Sein rötlicher Farbton war uns jedoch viel zu dominant und verputzen kam für uns nicht infrage“, so Florian Siegel. Vielmehr sollte die Reinheit und Echtheit des Baustoffes sichtbar bleiben – ein Kriterium, das für die jungen Planer in direkter Verbindung zur Einfachheit steht, die sich auch in der Gestaltung des Stores wiederfindet. Und so entschieden sie sich schließlich für den Schallschluckstein von KS-Original, der sich mit seiner Tiefe hervorragend zum Mauern eignete, ohne dass eine aufwändige Unterkonstruktion benötigt wurde. „Und letzten Endes trägt er noch dazu bei, dass es trotz größtenteils harter Oberflächen auch akustisch angenehm ist“, ergänzt Küppers.
Guter Ladenbau muss wandelbar sein
Betritt man heute den Verkaufsraum von Thomas Hommerberg, ist schnell vergessen, dass es sich hierbei um einen Innenraum handelt. Das weiße Mauerwerk mit seiner Rundung in Kombination mit minimalistischen Möbeln, die an die helle Farbgebung anknüpfen, erzeugt eher den Eindruck eines Hinterhofes, der sich je nach Bestückung der Wand wandelt. Denn Dank der Lochung kann die Präsentation der Brillengestelle jederzeit verändert werden. „An dieser Wand ist nichts gebohrt oder geschraubt“, erklärt Severin Küppers. „Auch, wenn der Bauherr sich irgendwann mal entscheiden sollte, andere Produkte zu verkaufen, kann er diese mit dem Stecksystem ganz unkompliziert anbringen. Diese Wandelbarkeit und Langlebigkeit zeichnet einen guten Ladenbau aus.“
Eine neue Welt eröffnet sich, sobald man die KS-Wand durchschritten hat und in den hinteren Teil des Geschäfts gelangt. Hier befinden sich Teeküche, Augenmessung und Werkstatt, wo Hommerberg seinem Handwerk nachgeht.
Ein Parkettbogen mit Fischgrätmuster und hohe Decken mit Verzierungen aus Stuck greifen die Gestalt des Altbaus auf und erzeugen eine private Atmosphäre. Teilweise unbehandelte Wand- und Deckflächen erzählen die Geschichten vorheriger Nutzungen und verstärken den wohnlichen Charakter der Räumlichkeiten.